Ulrike Trick: 12 Jahre und kein Ende der Finanzmisere.
Trotz Isolierung der Coronakosten und guter Steuereinnahmen schafft die Gemeinde Schermbeck es nicht, aus der Haushaltssicherung zu kommen; es muss jedes Jahr in die Rücklage gegriffen werden, um das Defizit auszugleichen.
Andererseits sucht der Kämmerer verzweifelt nach Möglichkeiten, Geld kurzfristig unterzubringen, um keine Strafzinsen zu zahlen.
Was sind die Ursachen – wie passt das zusammen?
Die Sache klärt sich, wenn man einen Blick auf die vielen geförderten Vorhaben wirft. Hier tut sich ein wahrer Förderdschungel auf, den zu durchkämmen selbst für die zuständigen Mitarbeiter nicht leicht ist. Auf unsere Bitte um eine Liste aller abgeschlossenen und nicht abgeschlossenen Förderprojekte der letzten Jahre, sowie der von der Gemeinde zu zahlenden Eigenanteile, erhielten wir nacheinander drei Aufstellungen, weil jedes Mal Korrekturen nötig waren. Dies spricht für die Gewissenhaftigkeit und Ehrlichkeit der Mitarbeiter, zeigt aber auch, dass der Dschungel schwer zu durchdringen ist und man leicht den Überblick verlieren kann.
Für die meisten Förderprojekte ist ein Eigenanteil nötig, zu dessen Erbringung sich die Gemeinde mit Beantragung der Fördermittel verpflichten muss. Da die Fördersumme dann bereits festgelegt ist und in der Regel keine Preissteigerungen beinhaltet, müssen diese allein von der Gemeinde getragen werden. Dieses Geld muss der Kämmerer bereithalten, ähnlich wie auch Privatpersonen, die Handwerker beauftragt haben oder größere Anschaffungen tätigen wollen. Somit liegen jetzt erhebliche Geldmengen auf den gemeindlichen Konten und verursachen Strafzinsen.
Seit Jahren schieben wir eine Bugwelle von beantragten und noch nicht begonnenen oder noch nicht abgeschlossenen Projekten vor uns her, und jedes Jahr werden es mehr, weil die Begehrlichkeit nach Förderprojekten immer neue finanzielle Beschlüsse hervorruft. Zu bedenken ist auch, dass es sich bei den Förderungen nicht immer um Maßnahmen handelt, die dringend gebraucht werden. Auf jeden Fall sind es aber immer Einrichtungen, die über viele Jahre erhalten und gepflegt werden müssen. Dazu verpflichten die Förderbedingungen.
Da die lange angekündigte Steuererhöhung bisher nicht eingetreten ist, glauben manche Bürgerinnen und Bürger sie könnten daran vorbeikommen. Das wird aber nicht so sein, denn mehr Steuereinnahmen bedeuten auch mehr Geld auf dem Konto und damit noch mehr Strafzinsen. Damit die aber nicht entstehen, ist die Steuererhöhung aufgeschoben, aber nicht aufgehoben.
Zwei Großprojekte stehen noch aus und beide sind unumgänglich: Das eine ist der Umbau der Mittelstraße, der eigentlich nicht mehr warten kann, denn die Wasserleitungen in der Straße müssen dringend erneuert werden, und das andere ist der Bau der Grundschule, der ebenfalls nicht mehr länger warten kann. Schon jetzt fallen erhebliche Kosten an, weil das Dach des alten Gebäudes starke Schäden aufweist, die verkehrssichernde Maßnahmen erfordern. Zwei dicke Brocken also, für die die Gemeinde finanzielle Mittel aufbringen muss und das wird nur mit Steuererhöhungen gehen.
Wenig engagiert zeigt sich die Kommune weiterhin beim öffentlich geförderten Wohnungsbau. Nachdem alle anderen Fraktionen eine feste Quote für geförderten Wohnungsbau abgelehnt haben, bleiben nur noch leere Versprechungen und heiße Luft.
Immer mehr Wohnungen fallen aus der Mietpreisbindung und das Angebot für niedrige Einkommensgruppen wird deutlich knapper. Daran ändert auch die Beteiligung der Gemeinde an der Grafschafter Wohnungsbaugesellschaft nichts. Diese sucht händeringend Grundstücke für den öffentlich geförderten Wohnungsbau, aber anstatt ihr solche Grundstücke anzubieten, kauft Schermbeck sich bei der Gesellschaft ein mit der Begründung, dann würde die Grafschafter auch in Schermbeck bauen. Aber ohne Grundstück kein Wohnungsbau!
Im Baugebiet Borgskamp wird es kein Angebot geben und im Baugebiet Spechort wurde das Grundstück, welches für öffentlich geförderten Wohnungsbau geeignet gewesen wäre, mittels Grundstückstausch unter Umgehung der selbstgegebenen Vergaberichtlinien, weggegeben. Denselben Deal gab es auch für ein Grundstück im Baugebiet Borgskamp. Beide Male haben wir dem nicht zugestimmt.
Erfreulich ist der einstimmige Beschluss des Rates, allen Schülerinnen und Schülern in der Gemeinde ein Ipad zur schulischen Nutzung zur Verfügung zu stellen. Für viele Familien und Alleinerziehende, die zwar nicht im Leistungsbezug sind (z.B. Hartz 4), aber trotzdem nur über ein gerade auskömmliches Einkommen verfügen, hätte eine solche Anschaffung eine erhebliche Belastung bedeutet, insbesondere wenn mehrere Kinder einer Familie zur Schule gehen. Dieser Beschluss war ein guter Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit.
Mit Besorgnis sehen wir den ständigen Personalwechsel. Manchmal dauerte das Arbeitsverhältnis mit der Gemeinde nicht einmal ein Jahr. Personalwechsel kosten Geld, denn die Einarbeitung von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern braucht Zeit und bindet Kräfte. Hier wäre sicher einmal eine Ursachenforschung angezeigt, die sich mit den Gründen der Fluktuation beschäftigt.
Insgesamt sehen wir auch in diesem Haushaltsentwurf keine Veränderung der Bewirtschaftung, die uns bewegen könnte, diesem Haushaltsplan zuzustimmen. Das strukturelle Defizit zieht sich wie ein roter Faden über 12 Jahre durch alle Haushaltspläne und echter Sparwille oder auch nur Beschränkung ist weder bei der Mehrheitsfraktion noch beim Bürgermeister und dessen ehrgeizigen Plänen festzustellen. Von daher wird die Grüne Fraktion auch diesmal dem Haushalt nicht zustimmen.
Dies war der letzte Haushalt den Kämmerer Frank Hindricksen gemeinsam mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Gemeinde erstellt hat. Wir haben die Arbeit der Kämmerei immer sehr geschätzt. Die Ursache für unsere Ablehnungen hat nie dort gelegen, sondern ausschließlich in den oben angeführten Gründen.
Für die Zukunft wünschen wir Herrn Hindricksen alles Gute auf seinem neuen Arbeitsplatz und bedanken uns bei ihm und seinem Team.
Dem neuen Kämmerer Herrn Alexander Thomann wünschen wir eine glückliche Hand.
Für die Fraktion B`90/Die Grünen
Ulrike Trick
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