Haushaltsrede 2012

von der grünen Fraktionsvorsitzenden Ulrike Trick

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren,

diese Gemeinde ist inzwischen so arm, dass es schwerfällt, eine Haushaltsrede zu schreiben.

Das Wunder der Haushaltskonsolidierung ist, wie erwartet, ausgeblieben. Angesichts der nicht von uns zu beeinflussenden Aufgaben von Zahlungen für den Aufbau Ost bis hin zur Kreisumlage ist das nicht verwunderlich.

Aber wir haben uns bemüht. Im Führungszeugnis eines jeden Arbeitnehmers eine vernichtende Aussage, denn sich bemüht haben, heißt: man hat das Ziel nicht erreicht. Wir bleiben also arm.

Aber wir sind auch reich. Reich an engagierten Bürgern, die tatkräftig und mutig auf ehrenamtlicher Basis Aufgaben übernehmen, die die Kommune nicht mehr leisten kann. Hier sei unter anderem die Bewirtschaftung des Hallenbads durch den Wassersportverein angeführt, ohne die weder Schwimmunterricht noch freies Schwimmen für Bürger aller Altersgruppen oder Vereinsschwimmen möglich wäre. Beispielhaft auch der Ausbau der drei Feuerwehrgerätehäuser durch die Mitglieder der Wehren  sowie der Räume über dem Feuerwehrgerätehaus Altschermbeck zu einem Dorfgemeinschaftshaus für alle Bürger der Gemeinde. Dass der für öffentliche Gebäude gesetzlich vorgeschriebene Aufzug nicht eingeplant wurde und somit bei den kalkulierten Kosten keine Berücksichtigung fand, ist dem Architekten und der Bauaufsicht anzulasten. Der schwarze Peter liegt nun aber beim Trägerverein, der Sponsoren für den Aufzug suchen muss. Ein unfairer Umgang mit dem Ehrenamt, zumal von BfB und Grünen mehrfach frühzeitig auf die Notwendigkeit eines Aufzugs hingewiesen wurde, denn zu einer Dorfgemeinschaft gehören auch Gehbehinderte, Mütter mit Kinderwagen und Rollstuhlfahrer.

Unsere Bemühungen, die finanzielle Armut in den Griff zu bekommen, waren teilweise von Zukunftsmusik bestimmt, wie bei dem Beschluss, den Rat bei der nächsten Wahl zu verkleinern (Einsparung 13.500 € ab 2014)
oder aber die Überlegungen, das soziokulturelle Zentrum nach Ablauf der Förderung (2018) zu verkaufen und die Bücherei zu schließen.
Diese Diskussionen führen nicht zu derzeitigen Mehreinnahmen oder Ausgabenverringerungen, sondern zu Irritationen in der Bevölkerung. Immer häufiger wird man von Bürgern gefragt, ob die Bücherei denn noch geöffnet sei oder wann sie geschlossen werde.
Erfreulicherweise erhält die Bücherei ab dem Sommer eine personelle Aufstockung, sodass wieder in der gesamten Ferienzeit die Ausleihe gewährleistet ist.
Hallenbad und Bücherei sind zwei Angebote an die Bürger, die das Leben in einer Gemeinde attraktiv machen. Das Hallenbad ermöglicht aufgrund der Ortsnähe Kindern das Schwimmen ohne Begleitung und steht auch nichmotorisierten Senioren zur Verfügung, die gleiche Erreichbarkeit gilt auch für die Bücherei. Eine Gemeinde ist eine Gemeinschaft, in der jeder seinen Anteil zum Funktionieren beitragen muss, sei es durch Steuerhöhung, durch Leistungseinschränkungen oder Gebührenerhöhung. Nicht in Ordnung ist es, wenn einige ständig einen finanziellen Beitrag leisten müssen und andere gar nicht. An der Steuerschraube wurde bereits 2010 zur Genüge gedreht, 2011 kam dann noch die Einführung der Zweitwohnungssteuer und die Erhöhung der Vergnügungssteuer hinzu.
Obwohl von der Verwaltung akribisch nach Möglichkeiten der Einnahmeverbesserung gesucht wurde, wurden doch wiederum die Erhebung einer Miete für die Nutzung gemeindeeigener Flächen sowie die Bezahlung der geleisteten Bauhofstunden durch bestimmte Leistungsnehmer nicht in Betracht gezogen. Wäre diese Gemeinde ein Bett, das von vielen genutzt wird, könnte man sagen, dass sich hier einige wenige unter der Daunendecke räkeln, während bei anderen das dünne Handtuch, mit dem sie sich zudecken müssen, immer schmaler wird.
Die Antwort des Bürgermeisters auf unsere Anfrage, die Gebührenfreiheit bei Veranstaltungen sei mit Wirtschaftsförderung und öffentlichem Interesse begründet,  ist schon deshalb unbefriedigend, weil diese Wirtschaftsförderung beim Beschluss der Zweitwohnungsteuer keine Berücksichtigung fand, obwohl auch hier Geschäftsleute auf die Kaufkraft der betroffenen Camper hingewiesen haben.
Es gibt zur Zeit kaum eine Kommune, die für Veranstaltungen völlige Gebührenfreiheit gewährt so wie Schermbeck. Auch wenn man uns Glauben machen will, es sei anders. In anderen Orten wird gezahlt, und es ist nicht anzunehmen, dass Rat und Verwaltung dort keine Wirtschaftsförderung betreiben.
Zudem entspricht dies nicht dem Grundsatz: Gebühren vor Steuern.
Diese sogenannte „ Wirtschaftsförderung „ findet wiederum weder in diesem Haushalt eine Darstellung noch wurde sie in den vorangegangenen Haushalten dargestellt. Zumindest als innere Verrechnung hätte hier die Leistung des Kommunalbetriebs für die Gemeinde dargestellt werden müssen. So ist nicht transparent, in welcher Höhe sich diese Gemeinde eine Wirtschaftsförderung leistet. Wir gehen aber unter Einbeziehung des Verzichts auf  Mieten bzw. Nutzungsgebühren von 25.000 €  aus.
Und nun, last but not least, das Projekt Nachbarschaftsberater, für das in diesem Haushalt letztmalig Geld eingestellt wurde. Der vielzitierte  Satz des Bürgermeisters, wenn dadurch auch nur ein Heimaufenthalt vermieden würde, habe sich das Projekt schon bezahlt gemacht, kann nicht stimmen, wenn dieses Projekt gleichzeitig von seinen Machern als niederschwelliges Angebot verstanden werden will. Niederschwellige Angebote haben in der Regel keine hochwirksamen Ergebnisse. Kein alter Mensch wohnt im Seniorenheim, weil er den Wochenmarkt nicht erreichen kann oder seinen Nachmittag nicht in einem Demenzkaffee verbringen kann.
Die Ursachen für die Unterbringung in einem Alten- und Pflegeheim liegen in der Pflegebedürftigkeit und die verhindert auch der engagierteste Nachbarschaftsberater nicht. Somit ist es auch nicht seriös, mit dem Hinweis, die Betreuung im Seniorenheim würde den Kreis als Sozialhilfeträger 1400 € monatlich kosten, die Summe, die das Projekt bisher gebraucht hat, zu „entschuldigen“. Für die Dauer des Modellversuchs erhielt die Gemeinde einen Zuschuss des Kreises von 54.000 €. Etwa dieselbe Summe wurde aus dem Gemeindehaushalt gezahlt. Eine üppige Ausstattung, von der nicht etwa die Nachbarschaftsberater, wohl aber der „Wasserkopf“ profitierte.
Und wieder räkeln sich einige unter der Daunendecke, nämlich der aus 7 Mitgliedern bestehende Wasserkopf des Modellprojekts. Für die ehrenamtlichen Nachbarschaftsberater kann man wohl eher von dem schmalen Handtuch sprechen.

Meine Damen und Herren, die Lastenverteilung in dieser Gemeinde ist nicht gerechter geworden, der Haushalt ist nicht transparent, schon allein deshalb nicht, weil der große Rahmen, in dem die Verwaltung Entscheidungen treffen kann, ohne Ausschuss und Rat zu beteiligen, wenig demokratische Mitbestimmung und Kontrolle zulässt.
Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird daher auch diesmal dem Haushalt nicht zustimmen.

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